Manche Filme nehmen uns mit auf die Reise durch das Leben. Geführt durch ein Drehbuch, Dialoge, Interpretationen, legen wir für einen Augenblick in unbekannten, neuen, exotischen, fremden Häfen an. Hier haben wir Gelegenheit, uns zu reflektieren und nachzudenken – über uns wie über die Beziehung, die wir zu dem anderen und zu uns selbst bereit sind zu unterhalten. Manche Filme hinterlassen ein Lächeln in unserem Gesicht und erwecken in uns den Wunsch, uns mitzuteilen. In dieser Rubrik möchte ich Sie an Filmen teilhaben lassen, die mich berühren, Fragen aufwerfen, mich ansprechen. Filme, die ich mit meinem Leben als Homo Esperus verbinde.
Don Jon
Es war einmal ein hübscher junger Mann Anfang zwanzig, der von seinen Freunden in Anspielung auf die Verführungskünste eines Don Juan „Don Jon“ genannt wird. Trotz seines Erfolges beim schönen Geschlecht – er schafft es immer wieder, Frauen in der Disco abzuschleppen – und der sich daraus ergebenden sexuellen Beziehungen sagt Jon, dass ihm „Sex mit einer Frau nicht reicht“. Er gibt sich also mehrmals am Tag einer anderen Lieblingsbeschäftigung hin, dem Masturbieren beim Anschauen pornographischer Filme.
Die Samstage verbringt er mit seinen „Jungs“ und mit sexuellen Begegnungen, die Sonntage aber gehören der Familie, mit der er die Hl. Messe besucht. Nachdem er sein Sexualleben gebeichtet hat, isst er mit Vater, Mutter und Schwester zu Mittag und geht dann ins Fitnesscenter, wo er beim Training die Ave-Maria betet, die ihm der Priester zur Vergebung seiner Sünden aufgegeben hat.
Dieser unveränderliche Rhythmus wird eines Tages gestört, als er die sehr sinnliche Barbara kennenlernt, die auch als Erste seinen Avancen widersteht. Es wird ihm bewusst, dass er von tiefer Unzufriedenheit geplagt wird. Er beschließt nun, dies zu ändern und dazu etwas Neues auszuprobieren: diese Frau zu erobern, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht.
Dieser Film – wirklich eine angenehme Überraschung – beschreibt in einem bunten Reigen von Szenen feinfühlig Johnnys beziehungsfeindliches Umfeld sowie die Gründe für seine Sucht. Er endet mit einer außergewöhnlichen Begegnung, die zur Verwandlung der Hauptperson führt… mehr möchte ich dazu nicht verraten.
Wenn ich den Film durch meine Brille als Homo Esperus betrachte, erfüllt mich der Wunsch, Ihnen von den Szenen zu erzählen, die mich am meisten amüsiert und fasziniert haben.
Am Familientisch
Das sonntägliche Mittagessen bei den Eltern ist Schauplatz für unmögliche Wortwechsel zwischen Vater und Sohn: Der Vater schreit seinem Sohn gutgemeinte Ratschläge zu, während er mit gebanntem Blick auf den Fernseher schaut und dort mit großer Leidenschaft ein Fußballspiel verfolgt – das Ganze bei einem Hintergrundgeräusch, das jedes Zuhören physikalisch unmöglich macht. Jons Schwester wiederum ist ausschließlich mit ihrem Smartphone beschäftigt, hat aber am Schluss noch einen wundervollen Auftritt. Die Mutter wartet sehnsüchtig darauf, Oma zu werden. Sie lädt diese Erwartungen voll und ganz auf ihrem Sohn ab und lässt es sich nicht nehmen, ihn dies in einem Ton wissen zu lassen, der leichte Schuldgefühle hervorruft. Sie finden in diesen Szenen also alle Bestandteile des Systems SAPPE wieder: Befehlen, Drohen, Abwerten, Hervorrufen von Schuldbewusstsein und Erpressen durch moralischen oder emotionalen Druck. Das Ganze umhüllt von gutem Willen und gemütlichem Familienleben. Ein wahrer Genuss! Woran man sieht, dass es möglich ist, die Mitglieder seiner Familie zu lieben und mit ihnen „energiefressende“ Beziehungen zu unterhalten.
Barbara oder die Pseudo-Liebe
Scarlett Johansson in der Rolle der Barbara ist ganz einfach göttlich, sie verfügt von Natur aus über alle Trümpfe, mit denen sich unserem Helden der Kopf verdrehen lässt. Die Liebesbeziehung, auf die sie sich mit ihm einlassen will, ist hingegen nichts anderes als eine Pseudo-Liebe, genauer gesagt eine Liebe, um ein Bedürfnis zu decken. Ihr Bedürfnis nämlich, einen Gefährten zu finden, der sämtlichen Kriterien entspricht, die sie von den von ihr so geliebten Liebesfilmen übernommen hat. Sie diktiert Jon also, was er zu tun und zu lassen hat, damit er ihrem Ideal entspricht. Woran man sieht, dass es möglich ist, seinen Partner zu lieben und gleichzeitig eine Beziehung zu akzeptieren, in der ein Partner den anderen terrorisiert.
Eine echte Liebesbegegnung
Esther ist die einzige Person, die sich mit Johnny auf eine unvoreingenommene Beziehung einlässt, die auf Zuhören, Respekt und Wohlwollen beruht. Diese Frau ist anders, feinfühlig, sie ist in der Lage, nuanciert zu denken und zu handeln, und sie geht unserem Helden, der jünger ist als sie, zumindest anfangs auf die Nerven, indem sie Kontakt zu ihm sucht, ihm Fragen stellt, und ihm dann auch noch ein wirklich untypisch Geschenk macht. Sie versteht es, ihm richtige, verstörende Fragen zu stellen – Fragen, die uns in unseren Grundfesten erschüttern, wenn wir bereit sind, uns auf sie einzulassen, und uns dazu bringen, neue Türen zu öffnen, neue Wege einzuschlagen. Sie ist auch die einzige Person, die imstande ist, mit dem anderen über sich und nicht über den anderen zu reden. Durch sie erhält Jon Zugang zu einer anderen Welt und entdeckt das Glück einer gesunden Beziehung. Diese wundervolle Beziehung – ich wünsche allen, dass sie eines Tages eine solche Beziehung führen können – ist die Umsetzung eines Satzes aus dem Buch „Pour ne plus vivre sur la planète TAIRE“ (Um nicht mehr auf dem Planeten des Schweigens zu leben) von Jacques Salomé: „Worauf es in einer Beziehung wirklich ankommt, ist, dass sie einen schöner und lebendiger macht“. Woran man sieht, dass es möglich ist, eine Liebesbeziehung zu führen, die an das Beste von sich und die Positiva des anderen anknüpft, ohne sich dabei von dem Negativen, das potenziell in jedem vorhanden ist, vergiften zu lassen.